Die Registrierung. Das Warten. Das Stück.


Am 26. Februar 2016 war es endlich soweit! Die langerwartete Vorstellung des Theaterstücks und die Präsentation der zahlreichen Schülerprodukte aus den Klassen 5 und 7, konnten nun endlich bestaunt und als Anlass zum Diskutieren genommen werden.

Der gesamte Schulkomplex wurde zu einer zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge umgestaltet und das Publikum in die Rolle asylsuchender Flüchtlinge gedrängt. Die Atmosphäre ist beklemmend und wirkt überfordernd. Ordner versperren einem dem Zugang, Wartenummern werden ausgeteilt und überall sind riesige Aufschriften in arabischer und deutscher Sprache, die zur Registrierung, zum Warten und zu bestimmten Regeleinhaltungen auffordern. 

Der Eingangsbereich ist voller Plakate mit fremdenfeindlichen Aussagen - "Halt hier Grenze!", "Heute sind wir tolerant, morgen fremd im eignen Land", "Kriminelle Deutsche raus!" oder "Go Home!", in den verschiedensten Farben und Schriftzügen, verdeutlichen dem Publikum eines mit Gewissheit: 

Flüchtlinge sind hier nicht willkommen.

Irritierend erscheint die Adressierung, denn dank Pegida und Co. sind wir mittlerweile diesbezüglich in unserem Rezeptionsvermögen  abgestumpft. Und doch ist hier alles anders.

Wir Deutschen sind damit gemeint! Wir Deutschen, stehen nun selbst vor einer Wand des Nichtwillkommenseins!   Die Besucher werden zu einem Teil dieser überwältigenden Kulisse, jeder zu einer Nummer in einer wartenden Masse.

Das zusammengeferchte Publikum ringt um die letzten Warteplätze, weitere Stuhlreihen müssen aufgestellt werden und die Bühne erscheint unerreichbar in dem Meer von wartenden Köpfen. Inmitten einer surrealen Welt, umschlungen von Absperrbändern und arabischen Verordnungen und Anweisungen, geht es nur noch darum abgefertigt und weggeheftet zu werden.

Das Gedankenexperiment beginnt, das Licht wird heruntergefahren, die Bühne schimmert in einem kühlen grün-blau, Bauzäune dominieren das Bühnenbild und dann ruft ein kleines Mädchen: "Mama, Papa, ich bin müde, ich kann nicht mehr", während es von den Eltern am Publikum vorbeigezogen wird. Eine Passkontrolle leitet ein Freez ein, auf das der Auftritt aller Spieler erfolgt. Diese finden durch ein chorisches Sprechen zusammen, um dann mit einem lauten Ausruf in sich zusammenzubrechen, und die erste Szene einzuleiten   -  "...aber ich bin kein Flüchtling!"

 

Die Inszenierung bildet den Auftakt einer dreistündigen Veranstaltung. Durch den provokativen Perspektivwechsel, ermöglicht das Stück eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsthematik, die den medial konstruierten "abstrakten Flüchtling" zu einem Individuum macht, mit dessen Schicksal man sich identifizieren kann bzw. eine gewisse Identifikation und Empathie erzwingt. 

Es wird unterstellt, dass eine politische Auseinandersetzung  nur dann konstruktiv sein kann, wenn die Individuen und Schicksalsschläge  sowie deren Bedürfnisse nicht ausgeblendet werden. 


Denn es ist leicht von Obergrenzen, Maßnahmen und Gesetzen zu sprechen, solange diese Individuen auf abstrakte Begriffe reduziert werden: "Flüchtlinge". Dementsprechend wird hierzu viel in den Medien (vor allem in den sogenannten anspruchsvollen Politiksendungen)  diskutiert, ohne jedoch etwas konstruktives oder nachhaltiges gesagt zu haben.

Der Theaterkurs hat diese Notwenigkeit erkannt, diese Aspekte übernommen und versucht noch weiter zuzuspitzen, sodass auch die derzeitigen Vorurteile sowie die aktuelle Medienrezeption - in einem Perspektivwechsel - auf die deutschen Flüchtlinge im Stück angewendet werden konnten. Hierdurch wurde eine gute Basis geschaffen, um eine kontroverse Auseinandersetzung im gesellschaftlichen Diskurs und vor allem in der Podiumsdiskussion des Abends zu ermöglichen.

 

 

Gesagt, getan. Der S4 Politik-Kurs von Frau Ashufta (Abiturjahrgang 2016) nutze diese Grundlage, um fundiert und lösungsorientiert mit den geladenen Gästen zur aktuellen Flüchtlingspolitik zu diskutieren. In den drei Themenblöcken: Krieg, Flucht und Integration, wurden die Vertreter der Parteien in die Mangel genommen. Gebannt verfolgten die Zuschauer den Beitragswechsel zwischen den Politikern, den Experten und den taffen Moderatorinnen. 

Die dreistündige Veranstaltung verging im Flug, da man von Anfang an betroffen war.



Erst schnürte das Theaterstück die Zuschauer fest an ihre Sitze,  dann setzte die Podiumsdiskussion die Mitfiebernden unter Spannung.

Mit jedem Schlagabtausch -  glich die Diskussion mehr und mehr einem Wimbledon-Endspiel. Eine Siegerehrung blieb aus und anstelle eines Pokals wurde den Zuschauern ein abschliessendes Zitat von Ernst Ferstl mit auf den Nachhauseweg gegeben: 

"Es gibt zu viele Flüchtlinge, sagen die Menschen. Es gibt zu wenig Menschen, sagen die Flüchtlinge."

 Den nichtaufhörenden Beifall und die unzähligen Komplimente, haben sich unsere Schülerinnen und Schüler mehr als verdient!


S4 PGW Kurs unter der Leitung von Frau Ashufta

S2 Theater Kurs unter der Leitung von Herrn Bouden